BRUTTO- UND NETTOKAUFPREIS BEIM UNTERNEHMENSVERKAUF
Oftmals kommt es vor, dass Unternehmer dieses Thema unterschätzen. Hierbei geht nicht um die Bestimmung eines Preises mit und ohne Mehrwertsteuer. Es geht darum, wie hoch die Summe ist, die Sie am Ende für Ihr Unternehmen bezahlt bekommen. Es ist äußerst wichtig für erfolgreiche Verhandlungen, dass beide Parteien die gleichen Begriffe verwenden und unter diesen dasselbe verstehen.
Aus der Praxis wissen wir: in vielen Transaktionen entstehen durch die Überleitung vom Bruttokaufpreis zum Nettokaufpreis Konflikte, die bis zum Beendigung des Geschäfts des führen können. Daher werden wir in diesem Beitrag die Begriffe definieren und anhand von Beispielen verständlich machen.
INHALT
- Vom Bruttokaufpreis zum Nettokaufpreis
- Der Bruttokaufpreis (Enterprise Value)
- Der Nettokaufpreis (Equity Value)
- Was sind Liquide Mittel?
- Was sind nicht betriebsnotwendige Assets?
- Fallstricke
Vom Bruttokaufpreis zum Nettokaufpreis
Wenn man sich in die Rolle des Käufers versetzt, kann man das Problem am einfachsten verdeutlichen: Ausgangsgröße ist der Wert des Unternehmens. Für den Unternehmenswert gibt es sehr viele Methoden, aber lassen Sie uns der Einfachheit halber von der Mustermann GmbH mit einem Umsatz von 1 Mio. Euro und einem Gewinn vor Steuern von 100.000 Euro ausgehen. Der Wert des Unternehmens beträgt 500.000 Euro. An dieser Stelle ist es egal, ob dieser über einen Ertragsmultiple (5,0) bestimmt wurde oder auf einem ganz anderen Weg. Sowohl der Verkäufer als auch der Käufer konnten sich auf den Unternehmenswert 500.000 Euro einigen.
Nun wollen wir uns folgende Fragen stellen:
- Würde es für Sie als Käufer einen Unterschied machen, ob die GmbH noch 1 Mio. Euro auf dem Konto oder noch Schulden in Höhe von 1 Mio. Euro hat?
- Würde es einen Unterschied machen ob der Firma noch eine Immobilie gehört oder nicht?
Mit großer Sicherheit. Bei der Berechnung des Unternehmenswertes wurden diese Aspekte jedoch überhaupt nicht berücksichtigt. Diese wurden aber nicht ignoriert, sondern werden erst nach der Einigung auf einen Unternehmenswert berücksichtigt.
Zusammenfassung
- Der Preis, den ein Verkäufer beim Vollzug ausbezahlt bekommt, ist der Nettokaufpreis ist.
- Nettokaufpreis und Bruttokaufpreis weichen oft erheblich voneinander ab.
- Um auf den Nettokaufpreis zu kommen, gibt verschiedene Positionen aus der Bilanz, die subtrahiert oder addiert werden.
Der Bruttokaufpreis (Enterprise Value)
Der Bruttokaufpreis kommt dem Unternehmenswert gleich (Enterprise value). Es gibt unterschiedliche Verfahren diesen zu bestimmen, zum Beispiel durch Multiplikatorenverfahren, Ertragswertverfahren oder DCF-Verfahren. Der Bruttokaufpreis drückt den hypothetischen Wert des Unternehmens aus, ohne sich die Bilanz oder den Abgrenzungsstichtag zu berücksichtigen. Bereits früh wird der Bruttokaufpreis in einem professionellen M&A Transaktionsprozess besprochen, also beispielsweise als Kaufpreisindikation in einem Teaser oder im Investment Memorandum. Ebenfalls wird dieser Preis in einer Absichtserklärung (LOI) zwischen Kaufinteressent und Verkäufer genannt.
Motivation dieser Betrachtungsweise ist der Umstand, dass der Käufer wohlmöglich anders aufgestellt ist als der aktuelle Besitzer. Ob sich das Unternehmen aktuell Geld leihen muss und zu welchen Konditionen dies geschieht, betrachte der Bruttokaufpreis nicht. Außerdem berücksichtig der Bruttokaufpreis nicht, ob das Unternehmen in Besitz einer Immobilie ist oder nicht. Um Unternehmen vergleichbar zu machen, wird diese Betrachtungsweise herangezogen. Offeriert wird die Mustermann GmbH, die in der Branche XYZ mit 20 Mitarbeitern einen Ertrag von 100.000 Euro erwirtschaftet.
Im folgenden Schritt wollen wir den Nettokaufpreis bestimmen. Das ist der Preis, welcher den Verkäufer tatsächlich interessiert. Der Nettokaufpreis kann sowohl größer als auch kleiner als der Bruttokaufpreis ausfallen.
Der Nettokaufpreis (Equity Value)
Wenn sich beide Parteien auf einen Unternehmenswert (Bruttoverkaufspreis) einigen konnten, wird der Nettokaufpreis ermittelt. In der Regel ist dies die Summe, die dem Verkäufer zufließt.
Die Bestimmung scheint zunächst einmal einfach: Bruttokaufpreis minus Nettoverschuldung = Nettokaufpreis.
Die Nettoverschuldung (Net Debt) ist auch einfach zu bestimmen, kann aber zu Konflikten führen, da man sich darüber streiten kann welche Positionen erforderlich sind.
Die Nettoverschuldung lässt sich in zwei Bereichen aufteilen.
Positionen, die die Nettoverschuldung erhöhen:
- Zinstragende Verbindlichkeiten
- Steuerrückstellungen/Rückstellungen
Positionen, die die Nettoverschuldung verringern:
- Liquide Mittel
- Nicht betriebsnotwendige Assets
Zurück zu unserem Beispiel: die Mustermann GmbH hat ein Bankdarlehen in Höhe von 100.000 Euro aufgenommen, keine Rückstellungen, keine Guthaben auf dem Konto und auch keine Assets, die hier Betrachtung finden könnten. Somit beträgt der Nettokaufpreis 400.000 Euro. Schließlich würde das Unternehmen inklusive ihrer Schulden bei der Bank für 400.000 Euro an den Käufer übergehen. Es wären aus Käuferperspektive 500.000 Euro notwendig, um die GmbH zu bezahlen (400.000 Euro) und die Schulden bei der Bank (100.000 Euro) zu tilgen.
Nun besitzt die Mustermann GmbH noch 100.000 Euro liquide Mittel auf dem Girokonto, welche sie nicht für ihr Tagesgeschäft benötigt und eine Immobilie im Wert von 900.000 Euro. Ferner gibt es keine zinstragenden Verbindlichkeiten und keine Rückstellungen. Dadurch beträgt der Nettokaufpreis jetzt 1.500.000 Euro. Der Käufer würde 1.500.000 Euro bezahlen und hätte das Unternehmen, 100.000 Euro liquide Mittel und eine Immobilie erworben. Genau wie zuvor hätte er aus seiner Perspektive bloß 500.000 Euro für die schuldenfreie GmbH bezahlt.
Da die Positionen keinem einheitlichen Standard folgen, ist es in der Praxis nicht leider so einfach wie in unserem Beispiel. Hierbei sind zinstragenden Verbindlichkeiten wie z.B. Bankdarlehen noch leicht zu bestimmen, aber die Rückstellungen bereits kontrovers diskutiert. Sowohl für Kaufinteressenten, als auch für Verkäufer gibt es gute Gründe, weshalb Positionen mit aufgenommen werden sollten oder nicht. Gibt es bei diesen Positionen einen wiederkehrenden Charakter oder sind sie von einmaliger Natur?
Was sind Liquide Mittel?
Kassenbestände und Bankguthaben zählen zu den liquiden Mitteln. In der Regel sind diese einfach zu bestimmen und zu beziffern. Allerdings es gibt eine erhebliche Unterscheidung zwischen betriebsnotwendigen liquiden Mitteln und liquiden Mitteln. Es handelt sich um betriebsnotwendige Mittel, wenn ein Unternehmen für das operative Geschäft unterjährig einen „Cashbedarf“ hat. Da diese zum Unternehmen gehören, finden sie keinen Einzug in die Berechnung. Grundsätzlich wird ein Käufer immer den Sockelbetrag als betriebsnotwendig ansehen. Ein Verkäufer hingegen würde eher dahingehend verhandeln, dass er einen Durchschnittswert der letzten Monate ansetzen möchte.
Was sind nicht betriebsnotwendige Assets?
Immobilien oder Grundstücke können zum Beispiel nicht betriebsnotwendige Assets sein. Wie der Name schon verrät, sind nicht betriebsnotwendige Assets nicht unbedingt erforderlich für das Unternehmen. In der Regel hat ein Käufer hat keinen Vorteil, diese Vermögensgegenstände mitzuerwerben. Da das Heraustrennen dieser Vermögensgegenstände vor einem Vollzug der Transaktion sehr umfangreich ist, bietet dies zusätzliches Konfliktpotenzial. Üblicherweise fallen der Gesellschaft aus dem Unterhalt dieser nicht betriebsnotwendigen Assets durchaus Kosten an. Diese Kosten sind bei der Bestimmung des „richtigen Kaufpreises“ zu berichtigen.
Fallstricke
Idealerweise sollten jene Positionen, die vom Bruttowert zum Nettowert berücksichtigt werden, schon weit am Anfang der Transaktion und vor der Prüfung besprochen sowie verhandelt werden. Bei diesen Positionen kann es zu harten Auseinandersetzungen beider Parteien kommen. Die Aufgabe des Beraters ist hierbei zu führen und gute Argumente parat zu haben. Der Berater muss voraussehen, welche Probleme auftreten könnten und Sie als Verkäufer darauf vorbereiten. Aus Erfahrung wissen wir allerdings, dass unerfahrene Berater mit diesen Themen hoffnungslos überfordert sind und nachteilige Auslegungen akzeptieren. Im schlimmsten Fall kann es zum Abbruch des Deals führen, wenn die Diskussionen über die Überleitungspositionen erst in einer späten Phase der Transaktion richtig losgehen.
UNSER TIPP
- Es ist ratsam frühzeitig die Positionen der Nettoverschuldung („net debt.“) im Letter of Intent oder im Transaktionsprozess mit dem Kaufinteressenten zu klären.
- In der Regel sind Finanzinvestoren deutlich professioneller bei der Berechnung dieser Positionen als Strategen oder Privatpersonen.
- Vertrauen Sie auf einen erfahrenen Berater, der Ihnen diese Positionen aufzeigt und verhandelt. Sie sollten als Verkäufer bei den „harten Verhandlungen“ nicht in die „Schusslinie“ geraten, da Sie ja noch eine Übergangszeit/Einarbeitung mit dem Käufer in harmonischer Atmosphäre verbringen wollen.